Samstag, 7. September 2013

Ein Gähnen für die Badewanne - Zu Daniel Kehlmann


Daniel Kehlmann, F, Rowohlt 2013.

Die ästhetische Gegenreformation rollt - wie eine Murmel dem Randstein entlang in den Gully. Neu zu erzählen! lautet das Postulat der Bewegung und ihres Bewegers Kehlmann, sich nicht mehr in der Sprache zu verlieren, sondern wieder einfach zu erzählen. Nur, gegen welche Reformation richtet sich diese Gegenreformation? Sie agiert, als ob die Literatur so grundsätzlich experimentell reformiert worden wäre, dass Zettel's Traum heutzutage zum Mainstream gehörte. Nichts aber entspricht der Realität weniger. Immer schon, und in den letzten zwanzig Jahren sowieso, war die überwältigende Mehrheit der Literatur Hausmannskost mit braven Plots, braver Syntax und braven Ideen. Es gab keine Reformation, und es gibt keine Gegenreformation. Alles was Kehlmann tut, ist, dem Haufen an mediokrer Banalprosa weitere Masse zuzuführen. Das ist weder revolutionär noch radikal oder geistreich, sondern - brav.

Kehlmann, wie Federica de Cesco, schreibt für die Badewanne. Deshalb bin ich hier als Rezensent in einer schwierigen Lage. Denn erstens bade ich selten, und zweitens habe ich zu Asterix und Lucky Luke für die wenigen Badefälle über lange Jahre ein Vertrauensverhältnis aufgebaut, das ich ungern störe. Natürlich bade ich oft literarisch, aber dann bade ich in Literatur, nicht mit ihr (in Jelineks Ätzlauge, nicht mit ihr in der hohlen Hand), und bade ich mit ihr, dann bin ich eben besetzt. Ich habe also verzweifelt versucht, F außerhalb der Badewanne zu lesen, im Garten, im Ohrensessel, aber bei Abwesenheit benebelnder Dämpfe war für mich einfach kein Umgang mit dem Buch.

Ich lese Wortabfolgen wie Seit einer Dreiviertelstunde warte ich. Ich habe keine Ahnung, warum ich hier bin, aber da die Klimaanlage funktioniert, ist es mir ganz recht. Die Hitze drückt gegen die Fenster, die Luft draußen ist vollgesogen; unwillkürlich frage ich mich, ob die Scheiben halten werden. Ich nippe an meinem Pappbecher mit Kaffee (s. 107). Tja. Halbwegs sauber geschrieben, sauber lektoriert, aber wozu soll ich das lesen? Ich raffe mich wieder auf, sage mir, dass die Sprache ja nur ein Vehikel für die Geschichte sein soll, und versuche mich an der Geschichte. Ich lese von drei Reißbrettbrüdern, einem schwulen Künstler, dicken Priester, scheiternden Geschäftsmann, mit einem noch papiereneren Vater, Schriftsteller, und verzweifle erneut. Ich raffe mich wieder auf und sage mir, dass die Geschichte ja nur ein Vehikel für die Spannung sein soll, die mich zum Umblättern bringt. Ich blättere also fleißig um und schaue mir danach den Umschlag an. Ja, so geht's. Leider lese ich dann im Klappentext, es handle sich bei diesem Roman um ein "virtuoses Kunstwerk", und dunkel steigt die Ratlosigkeit vom Himmel.

Nun gut, wie gesagt, ich bade selten und bin vermutlich nicht im Zielbereich des Autors. Ich war dieser Tage auch sehr beschäftigt, da ich unbedingt einen Obstkuchen backen und Jirgls Nichts von euch auf Erden zum dritten Mal lesen musste. Vielleicht habe ich Kehlmann also unrecht getan. Oder vielleicht gerade recht. Das Hauptproblem des Romans ist jedenfalls folgendes: Fürs Bad bestimmt ist sein bester Teil der Umschlag, doch der Umschlag, wie gefährdet ist er nicht durch den Schaum!  Es droht die Vernichtung des Badebuchs im Bad! Von solchen Sorgen umgetrieben habe ich nicht eher geruht, als dass die Lösung gefunden ward: Man hefte den Umschlag mit imprägnierendem Schutz an die Wand und versenke den umschlaglosen Restroman getrost in den Wogen.