Montag, 15. Juli 2013

Der Zwang der Postmoderne - Zu Clemens Setz


Clemens J. Setz, Indigo, Suhrkamp 2012.

Bolaño, Kafka, Musil, Nabokov, D. F. Wallace. Wie diese, so auch Setz, spricht die Fanfare der Kritik; nämlich witzig wie dieser, wortgewandt wie jener und insgesamt wie sie alle: groß. Ein Schrifsteller, dem solche Vergleiche zugemutet werden, kann einem nur leid tun oder könnte es, wenn er nicht selbst die entsprechenden Reverenzen hervorzöge. Setz zieht sie selbst hervor, und wie es um unser Mitleid steht, wird sich noch weisen. Einstweilen ist klar, dass sich Setz bewusst in einer Tradition der Moderne, Postmoderne und "Postpostmoderne" placieren möchte, die, anders als der adrette Häkelverein um Daniel Kehlmann, ganz große Literatur wagen will, Literatur, die die Welt in Sprache greift und so weiter, sie aber auch, deshalb postmodern oder "postpostmodern", vollkommen entzaubert als Pornographie im weitesten Sinne, was einem Realismusanspruch gleichkommt, da die Welt ja entzaubert sei und sinnentleert. Jedenfalls ist der Anspruch dieser Literatur sehr hoch, und Setz möchte ihm gerecht werden. Diese Aussage ist die positivste, die ich in dieser Rezension zu Setz machen werde, aber das meine ich keineswegs abschätzig: Ein Werk muss an seinem Anspruch gemessen werden, und wer so hohe Ansprüche hat wie Setz läuft natürlich Gefahr, ganz fürchterlich zu scheitern. Aber nur schon durch den Anspruch allein, unabhängig vom Result, verdient er sich Respekt. Wenigstens hätte zum Beispiel Indigo ein wichtiges Buch werden können, während sämtliche Texte der Häkeldichter schon von vornherein eine Zeitverschwendung für Autoren und Leser sind. Damit könnte ich das Lob auch anders formulieren: Setz' Bücher sind keine Zeitverschwendung, auch wenn sie, aus Gründen, die zur Sprache kommen werden, nicht gut sind.

In seiner Bemühung um ausgefallene Vergleiche mag sich Setz an Musil orientieren, die zeitweilige Obsession mit Genitalorganen mag besonders an Houellebecq erinnern, und die Situationen, in denen sich seine Protagonisten finden, mögen "kafkaesk" sein, aber das hauptsächliche Vorbild seiner Literatur ist ohne Zweifel David Foster Wallace, der König der "Postpostmoderne", wie Setz sie in Kleine braune Tiere im Kontrast zu Pynchons Postmoderne nennt (wobei die Postpostmoderne hier per Reduzibilitätsaxiom durchwegs zur Postmoderne gekürzt werden wird). Es ist kein Zufall, dass sich Setz in seinem Bestreben nach postmoderner Literatur an Wallace wendet. Zunächst einmal wird Wallace allseits (auch diesseits) zuerkannt, ein selten talentierter Schriftsteller gewesen zu sein; zum anderen ist er wunderbar programmatisch, so wunderbar eben, wie es in der deutschen Literatur, außer in sehr kurzlebigen Phänomenen wie dem Expressionismus, dem Dadaismus oder der Wiener Gruppe, seit der Romantik nicht mehr vorgekommen ist. Alle erdenklichen Merkmale der Postmoderne erscheinen bei Wallace, so wie bei Zola alle erdenklichen Merkmale des Naturalismus oder bei T.S. Eliot diejenigen des modernism erscheinen. Setz ist offenbar der Meinung, die deutsche Literatur brauche die programmatische Postmoderne, vermutlich, um den Würgegriff der Häkler zu überleben, oder vielleicht auch einfach, um sich wieder mehr dem internationalen Diskurs anzuschließen, wie es eben Stifter und den anderen poetischen Realisten zur Zeit von Dickens, Balzac, Tolstoi so schlecht glückte.

Ob die deutsche Literatur die Postmoderne braucht, hängt davon ab, was man für die Postmoderne hält. Hält man sie für die programmatische amerikanische Tradition über Gaddis, Pynchon, Wallace, bin ich skeptisch, doch dazu später mehr. Hält man sie jedenfalls für diese Tradition und insbesondere in der Gestalt, in der sie Wallace verkörpert, ist es Setz bestimmt geglückt, deutsche postmoderne Bücher zu schreiben. Getreulich hat er alle programmatischen Merkmale kopiert, sodass niemandem in den Sinn käme, es handle sich eventuell um etwas anderes als postmoderne Literatur jener Gestalt.

Leider hat er dabei nur eines vergessen, nämlich, auch gute Literatur zu schreiben, und ist dadurch, Ironie!, so weit davon abgeirrt, wie sein Idol zu werden, wie er nur hätte abirren können. Wo Wallace originell, poetisch, intelligent, kurz durchdringend ist, schmeckt Setz schal und ranzig. Die Frequenzen (2008) und Die Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes (2011) sind so rein nach Wallaceschen Mustern gestrickt, aber gleichzeitig vor allem sprachlich so unterlegen, dass man beinahe von einem missglückten Pasticheversuch sprechen möchte. Wie in The Pale King oder Infinite Jest folgt die Romanhandlung der Frequenzen in aufgebrochener Folge verschiedensten mittelmäßig gestrandeten oder körperlich oder psychisch verrückten Menschen, die alle um ein gemeinsames Zentrum rotieren. Und wie in Wallaces Erzählungsbänden (Brief Interviews With Hideous Men usw.) wird in der Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes dieselbe narrative Methode einfach ohne offensichtliches bündelndes Zentrum geboten. Aber im Gegensatz zu Wallace sind sowohl das narrative Zentrum, falls vorhanden, als auch die Figuren nur schon von der Anlage her fade und uninspirierend. Das Zentrum von Infinite Jest ist eine Tennisakademie, dasjenige des Pale King die amerikanische Steuerbehörde IRS; das der Frequenzen irgendeine mitteleuropäische Stadt. Die Verrückten bei Wallace tragen ihr Herz in der Handtasche oder als Mitglieder der Union of the Hideously and Improbably Deformed (U.H.I.D.) einen Schleier. Bei Setz verprügeln sie Unschuldige auf der Straße oder masturbieren alleine in der Badewanne.

Selbstverständlich ist es nur dann ein Defekt, eher unscheinbare Protagonisten zu animieren, wenn man sich, wie Setz, allzeit den Anschein gibt, man schreibe einen Wallaceschen Roman, da einem dann schlicht und einfach die Materialgrundlage für das Unterfangen fehlt. Immerhin kann man auch weniger exotische Charaktere ins Netz des postmodernen Großromans jagen. Aber zumindest müssten die Figuren lebendig wirken, einen irgendwie interessieren. Setz' Figuren hingegen sind Pappkameraden, denen man am liebsten durch Überblättern Rechnung trägt. Um zu sehen, wie sehr er darin auch wieder von Wallace abfällt, reicht es aus, Shane Drinion und Meredith Rand aus Kapitel 46 des Pale King mit Kirill und Lea aus der Titelerzählung der Liebe zur Zeit des Mahlstädter Kindes zu vergleichen. Während Rands und Drinions Konversation einen bis zur !Atemlosigkeit einnimmt, und sich dabei nicht nur die beiden Figuren, sondern auch die Bar Meibeyer's und der gesamte Lebensraum der IRS-Angestellten intensiver als die meisten wirklich erlebten Gespräche und Räume ins Gedächtnis eingraben, hauchen Lea und Kirill ihren letzten Atem bereits aus, als man erfährt, dass ihr Kater Magister Perotinus Magnus heißt, und mögen sie noch so sehr auf die Lehmfigur des Mahlstädter Kindes einprügeln. Setz, in seiner Anstrengung mit Wallace' Einfallsreichtum mitzuhalten, verheddert sich in der Tolle-Idee-Literatur, wie sie Leuten unterläuft, die keine Ideen haben, und kreiert dabei leblose Homunculi, die dann allerdings auch noch rein intellektuell nichts Interessantes zu sagen haben.

Indigo verspricht anfangs etwas mehr als seine Vorgänger. Zumindest ist das Erzählzentrum exotisch, was wie eine neue Sorte Fruchteistee (wie, mit Ananas?) zunächst den Gaumen etwas kitzelt: Es handelt sich um eine Schule für Kinder, die an "Indigo" erkrankt sind, einer Krankheit, an der nicht die Erkrankten leiden, sondern ihre Umgebung, da alle, die mit Indigokindern in Kontakt kommen, von Übelkeit und Schwindelgefühlen überwältigt werden. Eben, immerhin. Wir lernen also einige Indigokinder, Indigokinderangehörige, Indigoforscher, sowie den ehemaligen Mathematiklehrer der Indigoschule, Clemens Setz, kennen. Lernen wir sie kennen? Naja, wir konstatieren, dass sie da sind. Im Verlauf des Romans, ungefähr nach zehn Seiten, verpufft der Ananaseffekt, und man muss erkennen, dass es sich um den alten, schalen Eistee handelt. Die Indigoschule ist eine Kulissenstadt und alle Kugeln treffen Kartonköpfe.

Außerdem herrscht zwischen dem neuen und den älteren Büchern ein unglückseliges sprachliches Kontinuum, oder ohne Plüsch formuliert: Indigo ist genauso schlecht geschrieben wie die vorhergegangenen (wohin?) Bücher. Man lese zuerst wieder Wallace, zum Beispiel das Ende des jetzt als erstes Kapitel des Pale King veröffentlichten Textes:

Your shoes' brand incised in the dew. An alfala breeze. Socks' burrs. Dry scratching inside a culvert. Rusted wire and tilted posts more a symbol of restraint than a fence per se. NO HUNTING. The shush of the interstate off past the windbreak. The pasture's  crows standing at angles, turning up patties to get at the worms underneath, the shapes of the worms incised in the overturned dung and baked by the sun all day until hardened, there to stay, tiny vacant lines in rows and inset curls that do not close because head never quite touches tail. Read these.

Dann lese man Robert Musil, einen anderen Setzschen Hausgott, zum Beispiel diesen Ausschnitt aus dem Kapitel Moosbrugger des Mann ohne Eigenschaften, in dem der Prostituiertenmörder desselben Namens vorgestellt wird:

Moosbrugger war als Junge ein armer Teufel gewesen, ein Hüterbub in einer Gemeinde, die so klein war, daß sie nicht einmal eine Dorfstraße hatte, und er war so arm, daß er niemals mit einem Mädel sprach. Er konnte Mädels immer nur sehn; auch später in der Lehre und dann gar auf Wanderungen. Nun braucht man sich ja bloß vorzustellen, was das heißt. Etwas, wonach man so natürlich begehrt wie nach Brot oder Wasser, darf man immer nur sehn. Man begehrt es nach einiger Zeit unnatürlich. Es geht vorüber, die Röcke schwanken um seine Waden. Es steigt über einen Zaun, und wird bis zum Knie sichtbar. Man blickt ihm in die Augen, und sie werden undurchsichtig. Man hört es lachen, dreht sich rasch um sich und sieht in ein Gesicht, das so reglos rund wie ein Erdloch ist, in das eben eine Maus schlüpfte.

Daran, unter anderem, möchte Setz anknüpfen; verspielt sein, ironisch, ernsthaft, die Sprache kontrollieren, aber trotzdem in ihrem Fluss mitgerissen werden, Rhythmus und Idee im gleichen vorantreiben und so weiter und so fort. Das Resultat lautet, an den besten Stellen, wie folgt:

Als damals das erste Kind geboren wurde, habe das Leben plötzlich einen Sinn bekommen, sagte Herbert Rauber, der Vater von Marianne Tätzel. Und jetzt, wo ein Enkelkind, Robert, da sei, habe auch das Sterben für ihn einen Sinn bekommen. Denn was sonst sei die Aufgabe eines Großvaters oder einer Großmutter, als einem jungen Menschen vorzusterben, so ähnlich wie ein Klavierlehrer seinem Schüler ein Stück vorspielt? Note für Note werde ihm nähergebracht, sowohl die kleinen Nuancen und Übergänge als auch die große Einheit der Melodie würden veranschaulicht, die Bedeutung, die Einordnung, das Maß. (Indigo, s. 257)

Hier hinkt alles. Der Musikvergleich ist voll von abgedroschenem Vokabular, "die große Einheit der Musik", vom "Lebenssinn" gar nicht zu sprechen. Die Analogie funktioniert nicht: Wenn schon, dann lebt ein Großvater vor, das Sterben wäre wohl mit dem Ende eines Musikstücks, nicht dem Musikstück selbst zu vergleichen; oder zumindest sollte das Vorsterben in einen Bezug auf die Coda eines Stückes gebracht werden. Dass nicht nur einfach der "Großvater" dastehen kann, sondern ihn noch umständlich die "Großmutter" begleiten muss, riecht nach überflüssiger political correctness und behindert auf alle Fälle den Fluss des Textes. Die Vermeidung der Wortdoppelung "da" - "da" durch ein schief-dialektal zeitlich statt örtlich verwendetes "wo" ist zu offensichtlich konstruiert und führt zudem dazu, dass Rauber vollkommen unglaubhaft wird: Wer schon so gestochen spricht, wird auch "wo" nicht zeitlich verwenden. Zudem, wer außer Glücksberatern spricht in nur schon ähnlich papiernem Duktus? Nein, auch Indigo reicht bei weitem nicht an seine Vorbilder heran.

Im Grunde ist das sehr schade, denn eigentlich will man ja, dass Setz ein guter Schrifsteller ist. Vielleicht wird er es noch, er ist ja Wunderkind und kann sich entwickeln, und Anspruch und Intelligenz reichen bestimmt aus; aber es ist schwer, aus den bisherigen Texten viel Hoffnung zu schöpfen. Das ist eben schade: Denn wäre Setz ein guter Schriftsteller, hätte man einen programmatischen Kontrapunkt im Namen der guten Literatur gegen all die neuen Erzähler oder Thomas-Mann-Imitatoren. Es täte gut, eine wirkliche postmoderne deutsche Literatur zu haben, das heißt eine Literatur, die zeitgenössisch, methodisch reflektiert und anspruchsvoll ist. Aber Thomas-Mann-Imitatoren als David-Foster-Wallace-Imitator gegenüberzutreten, so viel kann man von Setz lernen (und deshalb ist es keine vergeudete Zeit, seine Bücher zu lesen), reicht dazu offensichtlich nicht aus. Wir brauchen eine andere Postmoderne.

Die Frage danach, was Postmoderne ist und was gute Postmoderne ist und was gute Postmoderne leisten kann, ist für die Literatur nur als die Frage interessant, wie jetzt, in den Zehnerjahren des 21. Jahrhunderts, einer Zeit, die aus Gründen begrenzter Nomenklatur immer noch Postmoderne genannt wird, gute Literatur geschrieben werden kann. Es gibt eine programmatische Postmoderne, als deren Imitator sich Setz versucht, aber für die Literatur ist dieser Imitationsversuch nicht interessanter als der Versuch, Hermann Hesse nachzuahmen: Reine Imitation reicht nie zu guter Literatur. Selbstverständlich, Wallace und (einige wenige) andere Programmatiker haben es geschafft, eine gute Antwort auf die Postmoderne zu finden, und so, gute Literatur zu schreiben, aber das bedeutet nicht, dass damit die perfekte Rezeptur gefunden wäre, wie eben gesehen. Um eine eigenständige postmoderne Literatur zu schreiben, das heißt eine nicht rein epigonale, muss also die Frage gestellt werden, was die Herausforderung der postmodernen Literatur ist, und dann, wie man sie MEISTERN kann.

Ungefähr scheint man unter dem Problem der Postmoderne für die Literatur (und die Kunst allgemein) zu verstehen, dass es keine festen Richtlinien mehr gibt, dass wir zuviele verschiedene Literaturen und Maßstäbe kennen, und dass eben nicht mehr wie in der Moderne klar ausgerichtet geschrieben werden kann. Dass das falsch ist, ist schon allein dadurch ersichtlich, dass es eben eine programmatische postmoderne Literatur gibt. Aber immerhin, ein Grundgefühl bleibt, dass die Welt nicht mehr in Literatur zu greifen sei und so weiter, dass das Angebot an möglichen Literaturformen zu groß sei. Darin unterscheidet sich die Postmoderne überhaupt nicht von der Moderne, und wenn man bedenkt in wievielen Gattungen Goethe geschrieben hat, während heutzutage beinahe nur noch Romane veröffentlicht werden, wird das Grundgefühl als spezfisch postmodernes immer dubioser. Aber immerhin, ein Grundgefühl bleibt, und wir sind nicht Goethe, das heißt wir müssen uns erst noch ein Werk erschreiben. Wie? Nicht durch die Erstellung und Einhaltung programmatischer Kriterien. Aber dann: WIE? Ach die Verzweiflung!

Dabei ist es unendlich einfach. Man tue einfach dasselbe, was man schon immer getan hat. Man nehme literarische Formen, spiele mit ihnen, MUT!, unterwerfe sich diversen literarischen Einflüssen, nicht nur Wallace, auch Arno Schmidt, auch H.C.Artmann, auch Fontane, immer Goethe, Quirinus Kuhlmann!, Aischylos, Walther von der Vogelweide. Spieltrieb, Mut und sprachliches Bewusstsein sind die einzigen Voraussetzungen. Man schreibe Hirtendichtung, Chroniken, Kriminalromane, Epinikia, Erlebnisberichte, Lexika, Kataloge. Das einzige, was man nicht tue, ist, jemanden zu imitieren oder, noch schlimmer, programmatisch festzuhalten, was Spieltrieb, Mut und Sprachkunst seien. Nicht wie Setz! Aber das bedeutet doch nicht, dass wir wie Kehlmann vor uns hinmodern müssen. Noch, dass es nicht schon sehr gute postmoderne deutsche Literatur im nicht-programmatischen Sinn gäbe: Ich erwähne nur Felicitas Hoppe und Elfriede Jelinek. Zuletzt ist es das, was Wallace von Setz unterscheidet und Goethe von Kotzebue: Er zaudert nicht, sondern schreibt.

Vor 250 Jahren wurde Jean Paul geboren, einer der grandiosesten Drauflosschreiber und Sprachspieler. Anstelle weiterer Aufrufe ein Ausschnitt aus dem Siebenkäs, in dem Firmian Siebenkäs in Bayreuth frischverliebt Natalie, Venners Braut, gegenübersitzt, während seine ungeliebte und unliebende Frau Lenette in Kuhschnappel zurückgelassen das traute Heim bewacht:

   Darbender Firmian! An deinem Lebenflüßchen steht, wenn es auch zu einem Perlenbach wird, immer eine Galgen- und Warntafel! - In einer solchen warmen Temperatur, wie deine jetzo war, mußte dir der Ehering zu eng anliegen und dich kneipen, wie überhaupt alle Ringe in warmen Bädern pressen, und in kalten schlottern.
   Aber irgendeine teuflische Najade oder ein ränksüchtiger Meergott hatte die größte Freude, Firmians Lebens-Meer, wenn es gerade von einigen phosphoreszierenden Seetieren oder von einer unschädlichen elektrischen Materia reizend leuchtete, und wenn sein Schiff darin eine schimmernde Straße hinzog, umzurühren und zu trüben und zu verfinstern; denn eben als das Vergnügen und die äußere Gartenpracht immer höher wurde - und die Verlegenheit kleiner - die schmerzlichen Erinnerungen an den neuen Verlust versteckter - als schon das Fortepiano oder das Fortissimopianissimo und die Singstücke aufgemacht waren - kurz, als die Honiggefäße ihrer Freuden-Orangerie insgesamt und erlaubte ägyptische Fleischtöpfe und ein weiter Abend- und Liebesmahls-Becher offen war: so sprang mit zwei Füßen nichts Geringers hinein als eine große Schmeißfliege, die schon öfters in Firmians Freudenbecher geflogen war.
   Der Venner Everard Rosa von Meyern trat ein, anständig in Safran gekleidet, um seiner Braut das Gesandten-Recht des ersten Besuchs zu geben. ... (Drittes Bändchen, Dreizehntes Kapitel)